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Litauens Werkzeugmacher des Lichts

Litauens junge Photonik-Industrie wird auf der LASER World of PHOTONICS 2022 von 24 Ausstellern auf gleich mehreren Gemeinschaftsständen vertreten. Ein guter Anlass, um die Branche im 2,8-Millionen-Einwohnerland genauer unter die Lupe zu nehmen.

Aufsehenerregend ist Litauens Photonik-Industrie nicht auf den ersten Blick. Rund 50 meist kleine und mittlere Unternehmen. 1.300 Beschäftigte, davon gut ein Zehntel mit Promotion. Kumulierter Jahresumsatz: 160 Mio. Euro. Diese nackten Zahlen allein bekommen allerdings Nachhall, sobald klar wird, was dieses kleine Land mit 2,8 Millionen Einwohnern sonst noch auf die Beine stellt. Litauen nennt sich gern das Land der 1.000 Start-ups und hat neben der Photonik eine höchst agile IT-Branche mit international gefragtem Knowhow im FinTech-, KI-, Cybersecurity-, e-Government- oder KI-Bereich. Daneben formiert sich eine neue industrielle Basis, zu der Automobilzulieferer, Maschinenbauer und Batteriehersteller gehören. Und nicht zu vergessen: die innovative Life-Science-Branche mit 85 Unternehmen. Unter anderem war ein Forscherteam die Universität Vilnius maßgeblich an der Entwicklung von CRISPR-Gene Editing Tools beteiligt. Hinzu kommt das bestausgebaute Glasfasernetz Europas.

Spätestens hier wird klar: Litauen hat die Zeit seit seiner Unabhängigkeitserklärung im Jahr 1991 für eine umfassende gesellschaftliche und wirtschaftliche Modernisierung genutzt. Wo Life-Sciences, Batteriefertigung und Glasfaserkommunikation aufblühen, kann Photonik nicht weit sein. Tatsächlich kann das Land auf gut fünf Jahrzehnten Photonik-Forschung aufbauen. Maßgebliche Akteure finden sich an der Universität Vilnius, der Technischen Universität und der Vytautas Magnus Universität Kaunas, dem Nationalen Krebsforschungsinstitut sowie am Zentrum für physikalische Wissenschaften und Technologie (FTMC). Die Universität Vilnius und das FTMC gehören unter anderem zum Gründerkreis des Konsortiums „Laser-CERN“, das sich Mitte 2021 im European Consortium for Research Infrastructures for Extreme Light Infrastructure (ERIC ELI) formiert hat. Kein Zufall: Denn im Zentrum von ERIC ELI stehen zwei Laserzentren in der Tschechischen Republik und Ungarn, die in erster Linie mit Lasern Made in Lithuania bestückt sind. Genauer mit OPCPA-(Optical Parametric Chirped Pulse Amplification)-Lasersystemen, deren Technologie auf Forschungen des Nobelpreisträgers Prof. Gérard Mourou und Laserwissenschaftlern der Universität Vilnius basiert.

Modernste Lasertechnik

Laut Prof. Aidas Matijošius, Leiter des Laserforschungszentrums der Uni Vilnius, birgt dieses prestigeträchtige Projekt großes wissenschaftliches Potenzial: „Experimente mit den weltweit intensivsten Kurzpulslasern in den ELI-Labors können Innovation auf breiter Front auslösen: sei es in der Entsorgung nuklearer und radioaktiver Abfälle, der industriellen Tomographie, der Gammaradiographie oder in der Herstellung von Radioisotopen in der Pharmazie sowie der Entwicklung medizinischer Bildgebungs- und Strahlen- und Protonentherapieverfahren“, zählt er auf. Die OPCPA-Technologie ist in Litauen mittlerweile über den Forschungsrahmen hinausgewachsen. Die beiden Laserhersteller LIGHT CONVERSION und EKSPLA fertigen und vermarkten sie weltweit. Wichtigste Märkte: USA, Japan, Süd-Korea und natürlich die Photonik-anwender in der europäischen Nachbarschaft.

„Unsere Branche versteht sich als Teil der globalen Wertschöpfungskette“, erklärt Laurynas Ūkanis, der als Projektmanager im Marketing von EKSPLA maßgeblich an der Organisation der Litauischen Gemeinschaftsstände auf der LASER World of PHOTONICS von 26.-29. April 2022 beteiligt ist. Durch das gemeinschaftliche Auftreten sei es in den letzten Jahren gelungen, mehr Aufmerksamkeit auf die dynamische und hochinnovative Photonik-Industrie seines Landes zu lenken. „Anfangs, als noch jeder für sich auf den internationalen Messen vertreten waren, wurden wir oft übersehen“, berichtet er.

Gesamte Prozesskette vor Ort

Doch mittlerweile ist klar, dass sich in Litauen eine Photonik-Branche mit Akteuren entlang der gesamten Prozesskette entwickelt hat. Das beginnt mit einem der größten Unternehmen, EKSMA Optics, das Kristalle, Spiegel, optische Komponenten und Schalter entwickelt und in über 50 Ländern weltweit vertreibt. Um diese Basiskomponenten photonischer Systeme zu fertigen, hat EKSMA jüngst ein modernes 7.300-Quadratmeter-Werk in Betrieb genommen. Zu den Komponentenherstellern gehören zudem 3Photon, ein Spezialist für die Politur und Beschichtung optischer Komponenten, nichtlineare Kristalle und Optiken, und Altechna, die seit 25 Jahren auf die Entwicklung und Fertigung von Laseroptiken, Polarisationsoptiken sowie Kristallen und Aktuatoren zur Strahlaufweitung, Dämpfungselemente sowie optische Fassungen spezialisiert ist. Die LASER-Aussteller Optonas, OPTOMAN und Standa UAB sind ebenfalls in diesem Teil der Prozesskette aktiv. Wobei letztere auch optische Tische, Positionierer und viele weitere optomechanische Produkte anbietet. Das Spektrum der Zulieferer umfasst zudem die junge DMC Direct Machining Control, die sich auf Steuerungssoftware für unterschiedlichste Laserbearbeitungsmaschinen spezialisiert.

Neben den Komponentenherstellern gibt es zahlreiche Anbieter von Lasersystemen und -modulen. Etwa das Start-up Litilit, dessen Femtosekunden-Faserlaser in der Biophotonik und Medizintechnik ebenso wie in der Keramikbearbeitung und Elektronikfertigung gefragt sind. Herzstück ist ein patentierter Laserpulsgenerator, welcher laut Litilit die Zuverlässigkeit von Telekomtechnik mit hoher Robustheit gegenüber externen Störungen verbindet und zudem wartungsfrei ist. Weitere Anbieter von Laserstrahlquellen: Integrated Optics, die Diodenlaser im Streichholzschachtelformat in mehr als 20 Wellenlängen für Spektroskopie, Mikroskopie, medizinischen Analytik oder LiDAR-Systemen anbietet, sowie QS Lasers, deren Portfolio sich von passiv und aktiv gütegeschalteten Sub-Nanosekundenlasern mit Peak-Leistungen bis vier Megawatt hin zu Laserelektroniken und Raman Mikroskopie-Systemen erstreckt.

Spezialität: Mikromaterialbearbeitung mit Femto-Pulsen

Ins Füllhorn der litauischen Systemintegratoren gehören auch Femtica, ELAS und Workshop of Photonics. Femtica, ein 2013 gegründetes Spin-off des Zentrums für Laserforschung der Uni Vilnius, integriert Femtosekunden-Laser in seine „Laser-Nanofactory-Workstation“, die additive Multiphotonenpolymerisation mit subtraktiver Laserablation und selektiven Laserätz-Verfahren kombiniert. ELAS baut ebenfalls moderne Mikrobearbeitungsanlagen auf Basis von UKP-Lasern, mit denen sich Glas, Saphir, Keramiken aber auch Metalle und Kunststoffe bearbeiten lassen. Und auch das Team von Workshop of Photonics macht sich das litauische UKP-Knowhow zunutze, um Mikrobearbeitungsanlagen auf Basis von Femtosekundenlasern zu entwickeln. Unter anderem hält das Unternehmen Patente auf das Laserschneiden von Glas und Saphir. Daneben agiert das Team als Prototyping- und Fertigungsdienstleister.

Abgerundet wir die Prozesskette von Integratoren, die photonische Sensoren entwickeln. Zu ihnen zählt das Start-up Brolis Sensor Technology, das auf winzige Spektrometer-on-a-Chip-Sensoren für Blutanalysen spezialisiert ist. Oder LIDARIS, die sich auf die Charakterisierung von Optiken mit Schwerpunkt auf der laserinduzierten Schadensschwelle (LIDT) versteht – und diesen Service für Ultrakurzpulssysteme perfektioniert hat. Zur Kundschaft zählen über 140 Organisationen weltweit, darunter führende Optikkonzerne.

Was all diese Unternehmen eint, sind ihre klarer Exportfokus auf der einen Seite – und ihre Verwurzelung in der litauischen Photonik-Forschungscommunity auf der anderen. Viele von ihnen sind direkte Spin-offs der Universitäten und Hochschulen. Andere arbeiten eng mit den Anwendern in Life-Science, Kommunikation und Spitzenforschung im Inland zusammen und erwerben dabei das Know-how für ihre weltweiten Aktivitäten. Wer nun Lust bekommen hat: Alle genannten Akteure treffen Sie in fünf Tagen auf der LASER World of PHOTONICS 2022.